DAS KONZIL
Als der junge Graf Ludwig von Vaduz im Auftrage
des deutschen König Sigismund von Luxemburg
den Begleitschutz für den Prager Magister Johannes
Hus übernahm, konnte er nicht wissen, dass ihn sein
Weg direkt in die Katastrophe führte.
Voller Hingabe für die neuen Lehren des böhmischen Philosophen und väterlichen Klerikers, musste er nicht nur die Aufhebung des Schutzversprechens durch König Sigismund auf dem Konstanzer Konzil erleben, sondern auch der schändlichen Verbrennung des Johannes Hus beiwohnen. Sein Bild von der Gerechtigkeit der Kirche war nachhaltig zerstört, und den Treuebruch lastete er sich selbst an.
Aus dem Inhalt des Buches...
»Wer die Wahrheit sucht, ist ein beneidenswerter Verrückter. Wer sie jedoch findet, ist ein unglücklicher Mensch!«
Ludwig war fasziniert von der Philosophie, in die Martin, sein Kaplan und Hofastronom, seine Worte scheinbar ohne Mühe einzukleiden
vermochte.
»Ich hoffe doch nicht, dass Ihr dieser unglückliche Mensch seid.«, bemerkte er mit verlegendem Lächeln.
»Wer weiß, Ludwig, vielleicht werden wir es beide sein, und jemand anderes erst recht.«
Der Graf störte sich nicht daran, dass der Kaplan, trotz der Etikette, die sie beide im Umgang miteinander pflegten,
gelegentlich in Vertrautheit verfiel.
»Wen meint Ihr?«, frage er.
»Den Magister Johannes Hus. Er sollte dem Konzil besser fern bleiben.«
»Aber wenn seine Thesen wahr sind, wird er damit auch die Skeptiker unter den Klerikern überzeugen können. Warum zweifelt Ihr daran?«
Martin wollte auf die Frage nicht sofort antworten, sondern goss beiden zunächst Wein in die Tonbecher.
Mit Bitterkeit gab er dem jungen Grafen dann den Rat: »Ludwig, vertraut nie einem Kleriker!«,
»Aber zu Euch habe ich doch auch Vertrauen, sogar grenzenloses... und ihr habt das Priesterstudium!«
»Ich bin zwar Theologe, aber ich bekleide kein kirchliches Priesteramt, unterliege nicht dem Zwang der Kirche.
Ich bin ein freier Gelehrter, nur meinem Verstand und Gott verantwortlich.« erwiderte Martin sehr deutlich.
Ludwig ließ die Worte wirken und nahm einen tiefen Schluck Wein aus dem Becher, aber noch bevor er diesen wieder
abstellte, behauptete er:
»Die Kirche ist doch auch Gott verantwortlich!«
»Wenn sie das wäre«, mein junger Herr, »brauchte sie keinen Papst. Und schon gar nicht derer drei, wie derzeit.
Der Prager Magister Johannes Hus fordert genau das«, sagte Martin nun, »dass zwischen dem Gläubigen und Gott nichts stehen darf.
Einen Papst kann es nicht geben. Kein Bischof, sei er noch so fromm, könnte je Stellvertreter Gottes auf Erden sein.
Das ist Gotteslästerung. Das ist Verweltlichung des Glaubens. Das steht im Gegensatz zur Bibel, die allein ist wörtlich zu nehmen.«
»Das sagte dieser Hus?«, Ludwig war sichtlich berührt von den Worten des Kaplans.
»Ja, so oder ähnlich predigt er es.«
»Da wäre ich gern einmal dabei.«
»Keine Sorge, Ludwig, das werdet Ihr auch, solltet Ihr nicht doch noch das Geleitschutzersuchen des Königs ablehnen.«
»Ich kann es nicht ablehnen, es ging an die Grafschaft Vaduz.«
»Es ging an den alten Grafen, der jetzt im Himmel weilt.«
Ludwig sah den Kaplan eine Weile an, aber dann verzichtete er darauf, etwas zu erwidern.